N°23: «Pool»
Essay: Katharina Brenner-Meyer, Hamburg
Gestaltung: Manuel Kreuzer, Passau
Gedicht: maboart bohren & magoni, Reinach
Ein stimmungsschwangerer Essay über den Pool als Sehnsuchtsort.
Appetizer
…
Der Sprung hallt als dumpfer Knall in meinen Ohren nach, dann weicht er einem Rauschen. Ich öffne die Augen und spüre ein kurzes Brennen. Die Welt unter Wasser ist leicht verschwommen, hell und schwerelos. Obwohl ich sehe, wie meine ausgestreckten Arme wie ein Pfeil durch das Becken schiessen, nehme ich meine Bewegungen in Zeitlupe wahr. Ich drehe meine Handflächen nach aussen. Ich schiebe das Wasser zur Seite. Ich ziehe meine Oberschenkel an meinen Oberkörper heran. Ich strecke sie aus. Die Schattenschwimmerin am Beckenboden imitiert meine Schwimmzüge. Jeder von ihnen bringt mich der Oberfläche ein kleines Stück näher. Ich beobachte von unten, wie die Spitzen der Zypressen kopfüber auf dem Wasser tanzen. Ich tauche auf, atme ein, streiche mit den Handflächen über meine Augen. Kontrolliere, ob der Haargummi noch da ist. Ist er. Mit ein paar weiteren Schwimmzügen erreiche ich die Luftmatratze, die in einer Ecke des Pools schaukelt. Im Wasser muss der Mensch Fisch, Seelöwe, Pinguin oder mindestens Ente werden. Er muss schwimmen, gleiten, tauchen. Oder sich treiben lassen. Ich schiebe meinen Oberkörper auf das warme Plastik und schwinge die Beine etwas ungelenk aus dem Wasser hinauf. Ich drehe mich auf den Rücken, rücke etwas nach rechts. Poolposition gefunden. Die Sonne wärmt meine Knie, meine Schultern, meine Nasenspitze. Ich schliesse die Augen.
Allesträumenkönnen, Nichtsmüssen, Nichtstun.
Auszug aus POOL von Katharina Brenner-Myer
Katharina Brenner-Meyer
Katharina Brenner-Meyer wurde 1987 in Ravensburg geboren. Sie studierte in Konstanz, Prag und Berkeley Literatur- und Kulturwissenschaften. Während und nach dem Studium schrieb sie für verschiedene Zeitungen. Seit Sommer 2020 lebt sie in Hamburg. Zuvor war sie Redaktorin beim St.Galler Tagblatt.
maboart bohren&magoni
Interaktion, Aktion, Reaktion im Spannungsfeld des jetzt. Die künstlerische Arbeit von maboart (Ursula Bohren Magoni & Claudio Magoni) steht in einem dynamischen Interaktionsfeld von Raum, Ort und Zeit und ist interdependent in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Die situative Akzentuierung transformiert die Wahrnehmung in einen veränderten Kontext der Imagination. Erweiterte Wirklichkeiten mit realen und virtuellen Mitteln entgrenzen die Realität, daraus entstehen Irritationen und individuelle Erlebniswelten.
Weiteres unter www.maboart.ch
Manuel Kreuzer
Manuel Kreuzer ist 1979 im niederbayerischen Passau geboren. Manuel liebt Schriften und die emotionale Fotografie. 2004 gründet er sein Büro für visuelle Gestaltung in Hauzenberg und zieht 2014 nach Passau um. Er ist ausgebildeter Energieelektroniker und Multimedia-Designer, ausserdem Absolvent des 4-semestrigen Aufbaustudiums «Typografie intensiv» unter Leitung von Rudolf Paulus Gorbach und des Nachdiplom-Studienganges CAS Typography and Print an der Zürcher Hochschule der Künste. Er ist Autor von «20+1 – Posters». Sein Studio in Passau betreibt Manuel mit besonderem Fokus auf Typografie. Er arbeitet alleine oder im Team für Kultur- und Kreativschaffende, die öffentliche Hand oder Unternehmen der freien Wirtschaft. Für sie gestaltet er ausdrucksstarke und detailverliebte Erscheinungsbilder, Bücher, Magazine, Ausstellungen oder Webseiten.
(Foto: Florian Weichselbaumer).
Weiteres unter www.mkreuzer.de