N°14: Zwei Löwen in Venedig
Text: Samuel Tanner, Zürich
Gestaltung: Julie Joliat, Zürich
Lyrik: Rike Scheffler, Berlin
Die Schriftsteller Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt waren Freunde – dann kam es zum Bruch. Eine historische Reise nach Italien, auf der Suche nach den Gründen.
Appetizer
…
Ihre Freundschaft spielte mitten im Fegefeuer der Eitelkeiten. Die einzige wirkliche Bedingung führ ihre Beziehung war deshalb gegenseitiges Vertrauen – als es ineinander zusammenfiel, fiel alles ab. Noch drei Monate später schrieb Frisch auf eine Postkarte, die er aus St. Moritz an einen alten Freund adressierte: «Weitere Kunde, wie F.D. gegen Andorra hetzt, also nichts Neues.» Sie hatten die grösstmögliche Beziehungsprüfung hinter sich: Wenn Zweifel an der Sitzordnung aufkommen und sich der Beifahrer mit seiner Position nicht mehr zufriedengibt. Es ist der Punkt, an dem sich charakterliche Differenzen verhärteten. Der spöttische Dürrenmatt war für den einen nun zu spöttisch, der verletzliche Frisch für den anderen zu verletzlich. Trotzdem fuhren sie Jahre später nach Venedig. Annäherungen waren unter Schriftstellern stets möglich – weil es immer einen nächsten Text gab und Texte immer ein Angebot zur Versöhnung waren. Verstanden werden im Text war mindestens so stark wie verstanden werden in der Begegnung.
Auszug aus ZWEI LÖWEN IN VENEDIG von Samuel Tanner
Samuel Tanner
Samuel Tanner ist 1991 geboren und aufgewachsen in Marbach SG. Kaufmännische Lehre auf einer Regionalbank, Volontär bei einer Regionalzeitung. Dann der Wechsel als Reporter zur Basler Zeitung und schliesslich zur NZZ am Sonntag, wo er heute arbeitet. Tanner ist Student am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel.
Julie Joliat
Die freiberufliche Grafikdesignerin, gebürtige Schweizerin, verfolgt ihre Karriere zwischen der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden. Sie arbeitet im Bereich Grafikdesign und Illustration, hauptsächlich in künstlerischen und kulturellen Medien für Bücher, Magazine, Logos, Corporate Identities, Broschüren, Plakate, Webdesign und selbst initiierte Projekte.
Weiteres unter jolia.net
Rike Scheffler
Rike Scheffler arbeitet in Gebieten zwischen Sprache, Performance, Installation und Musik. Sie begreift Gedichte, Songs und Soundskulpturen als realitätsschaffende Räume, begeh- und erlebbare Interventionen.
Scheffler studierte Psychologie in Berlin und Literarisches Schreiben in Leipzig. Sie veröffentlicht in Zeitschriften und Anthologien, performt solo als auch mit Band, und nutzt hierbei ihre Stimme, Loopmaschine, Synthesizer und Effektgeräte. Für ihr Schaffen erhielt sie u.a. Förderungen und Arbeitsstipendien der Akademie der Kunste, dem Goethe Institut, des Künstlerhauses Edenkoben, der Stiftung Brandenburger Tor sowie 2016 den Orphil Debut Preis für Lyrik für ihren Gedichtband der rest ist resonanz (2014).
Mehr zu Rike Scheffler: prosanova.net