N°10: Mit Black Sabbath auf der Alp
Text: Manfred Papst
, Zürich
Gestaltung: Thomas Rhyner, Wien/Buchs
Lyrik: Anja Nora Schulthess, Zürich/Grabs
Eine nicht ganz humorfreie Hommage an eine versunkene adoleszente Welt
Appetizer
…
Die Hitparade und die verwandten Radiosendungen konnten mir schon bald nicht mehr genügen. Langspielplatten mussten her. Manche Freunde und Bekannte hatten schon welche. Mitschüler vor allem, aber auch zum Beispiel ein Hilfskoch in der Parsennhütte, wo ich in den Ferien aushalf. Ich wanderte von Pontius zu Pilatus, um die schwarzen Scheiben leihweise zu ergattern. Oft ging ich mit meinem Philips-Rekorder auf auch Stör, denn manche wollten – aus heutiger Sicht höchst begreiflicherweise – ihre Neuerwerbungen nicht meinem alten Plattenspieler mit dem eiernden Teller, der krummen Nadel und dem schweren Tonarm anvertrauen. In meiner Neugier war ich unersättlich. Kein Ankauf im Tal, von dem ich erfuhr, war vor mir sicher. Ich stapfte beispielsweise von meinem Elternhaus durch den Schnee bis zur Klinik Wolfgang oder nach Clavadel, sechseinhalb bzw. vier Kilometer, weil ich wusste, dass dort ein Schulkamerad eine neue Platte hatte. «The Who – Live at Leeds» und «Willy and the Poor Boys» von Creedence Clearwater Revival waren die Strapaze allemal wert.
Auszug aus MIT BLACK SABBATH AUF DER ALP von Manfred Papst
Manfred Papst
Geboren 1956 in Davos. Primarschule und Gymnasium daselbst. Studium der Sinologie, Germanistik und Kunstwissenschaft in Zürich. Lizenziat 1983 mit einer Arbeit zur Übersetzbarkeit chinesischer Lyrik. Zusatzstudium der Geschichte. Zweites Lizenziat 1988. 1980 bis 1988 Tätigkeit als Deutschlehrer sowie als Korrektor, Übersetzer, Lektor und Herausgeber für verschiedene Verlage. Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts Mitherausgeber der Prosa und Briefe Friedrich Glausers. 1989 bis 2001 Programmleiter des Buchverlags der Neuen Zürcher Zeitung. Dort verantwortlich für etwa 500 Titel aus dem Bereich Geschichte, Kultur und Politik. Daneben regelmässige Beiträge zu Literatur und Musik in der NZZ und im NZZ-Folio.
Als Gründungsmitglied der NZZ am Sonntag von 2002 bis 2017 deren Ressortleiter Kultur, seither als fest angestellter Autor und Redaktor tätig. Bekannt durch Artikel zur Geistesgeschichte und zur Populärkultur sowie durch die wöchentliche Kolumne «Zugabe». Mehrfache Auszeichnungen, unter anderem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik 2015. Acht Jahre lang Präsident der Thomas-Mann-Gesellschaft Zürich, seit 2013 Präsident der Gottfried-Keller-Gesellschaft Zürich. Manfred Papst lebt in Greifensee. Er ist seit 1981 mit der Schulpsychologin und Dozentin Julia Papst verheiratet. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder.
Thomas Rhyner
Rhyner stammt aus einer Familie mit einer lokal und regional bekannten Bäckerei- und Confiserie in Buchs/SG. Seine erste Kunst-Installation kreierte er als Teenager gemeinsam mit seiner Freundin Elisabeth Rist (Pipilotti Rist). Beide wohnten im selben Dorf. Rhyner entschied sich dann für den Beruf des Grafikers, den er 1977 bis 1981 in St. Gallen und Vaduz erlernte. Nach zehn Jahren Tätigkeit als Art Director in Schweizer Werbeagenturen machte er sich 1993 als Grafiker selbständig.
Rhyner ist vorrangig für bildende und performative Künstler und Theaterschaffende in der Schweiz und seit 2008 in Österreich tätig. Er ist seit 2001 Mitglied von Mass & Fieber und arbeitet seit 15 Jahren mit der Videokünstlerin Pipilotti Rist zusammen. Er erhielt den Lebensabschnittspreis für kreative Gestaltung der Universität Ostrung in Tschechien.
Rhyners grafisches Werk zeichnet sich aus durch eine Abkehr von klassischen Grafikregeln und er verwendet bevorzugt bis zum Ausgangspunkt zurückmanipuliertes Bildmaterial. Am liebsten macht er Layouts, die aussehen, «als wären sie eine Woche Sonne und Regen ausgesetzt gewesen» – siehe zum Beispiel seinen Buchbeitrag, in dem er die Ästhetik von Überwachungskameras in Tiefgaragen imitierte (Krohn, Tim (2002) Bienen, Königinnen, Schwäne in Stücken. Urs Engeler Editor). Seine wichtigsten grafischen Vorbilder und künstlerischen Einflüsse sind Heinz Edelmann, Willy Fleckhaus und Dieter Roth.
Anja Nora Schulthess
Im Dezember 2016 erschien ihr Lyrikdebüt «worthülsen luftlettern dreck», derzeit arbeitet sie an einem Buch über die Bewegungszeitungen der Zürcher Achtziger Bewegung, das 2020 im Limmat Verlag erscheinen wird und konzipiert ein Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt im Hinblick auf die «40 Jahre Züri brännt». 2015 erwarb Anja Nora Schulthess den Bachelor of Arts in Philosophie, 2018 den Master of Arts in Kulturanalyse und Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. Nach ihrer Tätigkeit als Literaturwissenschaftlerin an der Universität Zürich arbeitet sie gegenwärtig für den Verlag Nagel & Kimche und als freischaffende Autorin und Performerin. Sie lebt mit ihrer Tochter in Zürich.