N°8: Die Anderen

Text: Julia Weber, Zürich
Gestaltung: Sascha Lobe, L2M3, Stuttgart
Lyrik: Michael Fehr, Bern

Eine starke Betrachtung in eigensinniger Sprache – kraftvoll und berührend


 

Appetizer

Ich denke, Dorothee ist innen grün. Ich sage, Zunge, mein Mädchen. Sie lacht ganz kurz, klingt wie ein kleines Tier, dann leckt sie langsam und mit der ganzen Fläche ihrer Zunge. Fester drücke ich ihren Kopf gegen mich, fester gegen die Welt da draussen. Ich streichle ihr über das Haar, ich kann es riechen, ihr Haar. Es riecht nach ihrem Grün. Draussen ist es jetzt beinahe schwarz, denke ich, wir sind hier drinnen, denke ich und bücke mich nach vorne und lege eine grosse Hand auf ihren Rücken, ihren breiten, bleichen Rücken, ihren krummen Rücken. Haut hängt an den Hüften über den Bund der Unterhose, ich fasse die Haut und drücke meine Finger hinein. Hinlegen, sage ich. Dorothee hört mich nicht. Hinlegen Mädchen, rufe ich, aber sie hört mich nicht, also stelle ich mich gerade, gehe zum Regal an der Wand, hole eine Flasche Wein. Der Boden ist aus Stein und kalt, in der Leere des Zimmers bleibt das Geräusch des Schluckens. Dorothee öffnet den Mund. Ihre Lippen sind bläulich, ihre Wangen weiss, ihre Augen gerötet. Ich schütte Dorothee Wein in den Mund. An den Mundecken läuft er hinab, läuft langsam ihren Hals entlang, ich lecke die Tropfen weg.

Auszug aus DIE ANDEREN von Julia Weber


One­page Ausgabe N°8

CHF 10.00

594 x 840mm (offen)
280 x 198 mm (gesch­los­sen)
 

Offsetdruck @BVD Druck+Verlag AG, Schaan
 

Dieses wunderschöne Plakat ist leider «nur» noch gefalzt erhältlich. SORRY!