N°1: Wo die Welt anfängt

Text: Daniele Muscionico, Zürich
Gestaltung: Bureauvulkanmaschinenfreunde, Buchs
Onething: Nathalie Schmid, Freienwil

Ein wortstarkes und sinnliches Plädoyer für das Lesen im Bett


 

Appetizer

Eine Novelle, eine Kurzgeschichte? Ab ins Bett mit ihr. Sie darf bloss nicht so kurz sein, dass sie sich zwischen den Kissen verliert. Ein Liebesroman? Für Liebe und ihr Gegenteil ist das Bett die klassische Brutstätte. Die Romanze darf allerdings nicht schmutzen, und vor allem soll sie nicht dazu verleiten, dass man zur Lektüre Gebäck knabbern muss. Es gibt seit Anfang der Welt nichts Widerlicheres als Krumen im Negligé. Das Bett ist der beste Leseort. Es ist der ideale Genussort für jede beschriebene Seite und bedruckte Broschüre, die kleiner ist als die Bettdecke gross. Denn das ist ja das Entscheidende des Lesens im Bett: Der Körper ist Teil einer weichen, warmen, einer anderen Welt. Und genauso geht es dem Geist: Er geht ein und auf in den Buchstaben, Wörtern, Geschichten, Figuren. Wenn alles entmaterialisiert ist, frei von Gewicht und irdischem Mass, dann kann die Reise beginnen. Was für ein Glück, lesend andere Länder zu bereisen, ohne lästige Mückenstiche und aufdringliche Eingeborene. Was für eine Freude, Liebespaare zu beobachten. Doch bloss so lange, bis sie alt werden und uns langweilen, wie wir uns selber langweilig sind. Was für ein Genuss dann, Zeuge zu sein des Scheiterns, des tiefen Falls, des Betrugs, Ehebrechens, des Verlusts, den andere erleiden und daran zu Grunde gehen – während wir in der himmlischen Sicherheit der Daunen immer mehr in die Höhe wachsen und uns an unserer Erbauung aufbauen.

_Auszug aus WO DIE WELT ANFÄNGT von Daniele Muscionico


One­page Ausgabe N°1

CHF 10.00

594 x 840mm (offen)
280 x 198 mm (gesch­los­sen)
 

Offestdruck @BVD Druck+Verlag AG, Schaan
 

Unsere erste Ausgabe ist «nur» noch gefalzt erhältlich. Die ungefalzte Variante ist bereits vergriffen.